Astor Pantaleón Piazzolla (* 11. März 1921 in Mar del Plata; † 4. Juli 1992 in Buenos Aires) war argentinischer Bandoneon-Spieler und Komponist. Er gilt als Begründer des Tango Nuevo, einer Weiterentwicklung des traditionellen Tango Argentino.

 

Leben

Astor Piazzolla, das einzige Kind von Vicente „Nonino“ Piazzolla (aus Trani in Italien) und Assunta Mainetti (aus der italienischen Provinz Massa-Carrara), war vier Jahre alt, als seine Familie wegen der schlechten Wirtschaftslage in Argentinien nach New York auswanderte, wo sich sein Vater in Greenwich Village einen Friseursalon einrichtete. Die musikalische Begabung des jungen Astor wurde früh erkannt. Neben Klavier lernte er auch, seinem Vater zuliebe, Bandoneon (der Vater hatte ihm 1929 ein Instrument geschenkt). Über die Tangobegeisterung des Vaters sagte Piazzolla: Mein Vater hörte ständig Tango und dachte wehmütig an Buenos Aires zurück, an seine Familie, seine Freunde – […] immer nur Tango, Tango.[1] Piazzolla selber begeisterte sich für Jazz und die Musik Johann Sebastian Bachs. Auch die Begegnungen des Neunjährigen mit der Tangolegende Carlos Gardel, einem Freund der Familie, änderte diese Prioritäten nicht. (Allerdings spielte Piazzolla in dem in den USA gedrehten Film El día en que me quieras 1935 neben Gardel eine kleine Rolle als Zeitungsjunge.)

1937 kehrte die Familie nach Buenos Aires zurück, wo eine Aufführung des Tango-Ensembles von Elvino Vardaro zu einem Schlüsselerlebnis für Piazzolla wurde: Hier erlebte er erstmals eine neuartige Tango-Interpretation, die ihn begeisterte. Er übte nun vermehrt und perfektionierte sein Bandoneonspiel.

1939 wurde er Mitglied des Orchesters von Aníbal Troilo, für das er auch Stücke arrangierte. Eine Begegnung mit dem von ihm sehr geschätzten Pianisten Artur Rubinstein bestärkte Piazzolla im Wunsch, einen akademischen Weg zu gehen. Ab 1940 nahm Piazzolla daher Kompositionsunterricht bei dem nur wenig älteren Alberto Ginastera, der bereits kurz nach Abschluss des Konservatoriums als musikalischer Hoffnungsträger der Nation galt und mit seinen ersten Ballett- und Instrumentalwerken für Aufsehen sorgte.

1944 verließ Piazzolla das Orchester von Troilo und arbeitete zunächst zwei Jahre lang als Solist und Arrangeur im Orchester von Francisco Fiorentino.

1946 gründete er sein erstes eigenes Orquesta Típica, das bis 1948 Bestand hatte. In dieser Zeit veröffentlichte er unter seinem Namen die ersten Schallplatten. 1949 löst sich dieses Ensemble wieder auf.

In der ersten Hälfte der 50er Jahre komponierte Piazzolla einige Orchester- und Kammermusikwerke, es entstanden die Rapsodía porteña (1952), die preisgekrönte Sinfonie Buenos Aires (1953) und die Sinfonietta (1954), für die er mit dem nationalen Kritikerpreis geehrt wurde. Von seinen frühen Tangos aus den 40er Jahren hingegen distanzierte er sich in der Öffentlichkeit, da er als Komponist ernst genommen werden wollte, was ihm mit Tango zu jener Zeit unmöglich schien. Zwar feierte in Europa, von Paris ausgehend, eine harmlos-tanzbare Tango-Variante Triumphe, doch in Argentinien hatte der Tango sehr lange einen schlechten Ruf, vor allem bei der Oberschicht.

1954 erhielt Piazzolla im Zusammenhang mit dem Preis für seine Sinfonietta ein Stipendium für Europa und ging nach Paris, um bei Nadia Boulanger Komposition zu studieren. Beim ersten Vorspielen verschwieg er, dass er Tangos gespielt und komponiert hatte. Piazzolla erklärte seine Gründe so: In Wahrheit schämte ich mich, ihr zu sagen, dass ich Tangomusiker war, dass ich in Bordellen und Kabaretts von Buenos Aires gearbeitet hatte. Tangomusiker war ein schmutziges Wort im Argentinien meiner Jugend. Es war die Unterwelt.[1] Boulanger entdeckte beim Durchsehen von Piazzollas Partituren Einflüsse von Ravel, Strawinsky, Bartók und Hindemith, vermisste jedoch eine individuelle Handschrift und bat Piazzolla, einen Tango auf dem Klavier zu spielen. Hinterher sagte sie Piazzolla deutlich die Meinung: Du Idiot! Merkst Du nicht, dass dies der echte Piazzolla ist, nicht jener andere? Du kannst die gesamte andere Musik fortschmeißen![1] Piazzolla nahm den Rat an, zusätzlich belegte er Dirigierkurse bei Hermann Scherchen.

1955 kehrte Piazzolla nach Argentinien zurück. Er gründete das Octeto Buenos Aires: zwei Bandoneons, zwei Violinen, ein Bass, Cello, Klavier und eine elektrische Gitarre. Mit diesem Ensemble begann die Neuinterpretation des Tangos: Der Tango Nuevo.

1960 gründete er ein weiteres Ensemble, ein Quintett aus Violine, Gitarre, Klavier, Bass und Bandoneon. Anfänglich stießen seine Werke auf Kritik und Ablehnung, da sie sich vom ursprünglichen Tango stark unterschieden. Die Anfeindungen gingen so weit, dass Piazzolla und seine Familie sich in Buenos Aires mitunter kaum auf die Straße wagen konnten. Doch er arbeitete weiter und komponierte, konzertierte und erstellte Arrangements seiner Werke für unterschiedliche Besetzungen mit enormer Produktivität.

Im Laufe seines Lebens komponierte er über 300 Tangos und Musik für fast 50 Filme und spielte rund 40 Schallplatten ein. Dabei arbeitete er mit Literaten zusammen wie Jorge Luis Borges und Horacio Ferrer, mit der Schauspielerin Jeanne Moreau, mit dem Regisseur Fernando Solanas und initiierte und leitete genreüberschreitende Projekte, unter anderem mit dem Kronos Quartet und mit Jazz-Musikern wie Gary Burton oder Gerry Mulligan. Außerdem schrieb er für Pina Bauschs Tanztheater die Musik zum Ballett Bandoneón. 1975 gründete er das Octeto Electrónico, in dem auch sein Sohn Daniel mitspielte.

Während der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) lebte Piazzolla in Italien, kehrte aber immer wieder nach Argentinien zurück. Insbesondere die Zeit von 1978 bis 1988 gilt als Höhepunkt seines Schaffens. In dieser Zeit arbeitete er mit seinem zweiten Quintett, in dem Pablo Ziegler (Klavier), Fernando Suarez Paz (Violine), Horacio Malvicino (Gitarre) und Hector Console (Kontrabass) mitwirkten.

Im August 1990 erlitt er in Paris einen Schlaganfall, der weiteres Komponieren unmöglich machte. Er starb zwei Jahre später in Buenos Aires.

 

Werk

Viele von Piazzollas Tangos sind nicht mehr im traditionellen Sinne tanzbar, sondern in erster Linie Musik zum Zuhören. Die Harmonie des Tango weitete er mit Mitteln des Jazz aus sowie nach den Vorbildern Igor Strawinsky und Béla Bartók. Piazzolla hat die Spieltechnik der Instrumente im Tango durch Anleihen aus der Neuen Musik ausgeweitet: „Bogenschläge auf der Violine, stechende Streicherakzente in hoher Lage, Glissandi des gesamten Ensembles, virtuose Bandoneonläufe und eine Anreicherung der Besetzung durch eine Vielzahl von Perkussionsinstrumenten bestimmen seine Musik.“

Trotz aller Neuerungen bleibt das Wesentliche des Tango erhalten, zum einen durch den spezifischen Klang des Bandoneons, zum anderen durch die typischen synkopischen Rhythmen, die typischen harmonischen Wendungen des Tango, Staccati und die generell melancholische Stimmung der Musik. „Piazzolla seziert die charakteristischen Elemente des Tango und stellt sie in einem neuen Licht dar. Hier betont das akkordische Spiel des Ensembles obsessiv den Rhythmus, dort dominiert eine elegische Solopassage. Jähe Zäsuren sowie deutliche Brüche stehen anstelle der Rubati des traditionellen Tangos und betonen deutlicher als diese den corte, das charakteristische Innehalten des Paares zwischen den Schrittfolgen.“

Die Essenz des Tangos erhält Piazzolla, verbindet sie aber mit der akademischen und bildungsbürgerlichen Tradition der klassischen Musik. Neben der eher traditionellen kleinen Form des Tangostücks verbindet er Tango mit den großen Formen der Musikgeschichte: Beispiele dafür sind das Musikalische Drama mit Ballett Los amantes de Buenos Aires (1969) auf ein Libretto des Tango-Dichters Horacio Ferrer (* 1933), das Oratorium El Pueblo Joven (1970) und das dreisätzige Konzert für Bandoneon, Streicher und Schlagzeug (1979).

Häufig verwendet Piazzolla die Form der barocken Suite, so etwa für das Stück Histoire du Tango – hier gibt er den vier Sätzen programmatische Titel: Bordel 1900, Café 1930, Night Club 1960, Concert d’aujourd’hui. Im Konzert Las Cuatro Estaciones porteñas greift er direkt auf das Vorbild der Konzerte Die vier Jahreszeiten (Le quattro stagioni) von Antonio Vivaldi zurück. Es ist nur konsequent, dass auch die Form der Oper von Piazzolla mit Tango verbunden wird, in der „Tango-Operita“ María de Buenos Aires, in der er kompositorische Formen wie Fuge und Toccata verwendet und das Agnus Dei zum Tangus Dei verfremdet. Piazzolla hat den Tango jedoch nicht nur mit der akademischen Tradition, sondern auch mit der Unterhaltungsmusik und Popkultur verbunden. Seit den frühen 1970er Jahren arbeitete er oft mit Jazzmusikern zusammen und verwendete moderne Instrumente wie E-Bass, Schlagzeug, E-Gitarre und E-Piano in seinen Kompositionen.

 

Das Instrument des Tango Argentino

Ich versuche mich seit Jahren am Spiel des Bandoneons, dem klassischen Instrument des 'Tango Argentino' und der 'Orchestas Tipicas' aus Argentinien.

 

 

 

Geschichte des Bandoneons

Die Bauform des Handzuginstrumentes Bandoneon, ursprünglich Bandonion, ist als erstes bei dem Instrumentenbauer Carl Friedrich Uhlig (* 23. April 1789 in Chemnitz; † 9. Juli 1874 in Chemnitz) belegt. Dieser begann um 1834 20-tönige, später 40-tönige und noch größere Konzertinas herzustellen.

Das Tastatursystem des Bandoneons ist eine Erweiterung bzw. Abwandlung des Systems von Uhlig durch den Krefelder Musiklehrer Heinrich Band. Es wird vermutet, dass Band bereits 1840 bei Uhlig in Chemnitz die 54-tönige Concertina erlernt hatte und sie für sein Krefelder Stadtorchester benutzte.

Nachgewiesen ist, dass Band zunächst in Böhmen Konzertinas aufkaufte, an denen er als erster maßgebliche Veränderungen vornahm, weil er den geringen Tonumfang (54 Töne) der damaligen Konzertinas unzureichend fand. Band fertigte zuerst 64-tönige, später 88-tönige Instrumente, die rechts 23 und links 21 Tasten besaßen. Der Tonumfang reichte auf der Melodieseite von c bis e3, auf der Bassseite von D bis d′.

Band verkaufte seine Instrumente ausschließlich in seinem Krefelder Musikaliengeschäft, das er von seinem Vater übernommen hatte. Mit den Erfahrungen seiner musikalischen Praxis im Krefelder Stadtorchester entwickelte er 1846 ein 100-töniges Instrument.

Das Bandoneon wurde sehr schnell über die Stadtgrenzen Krefelds hinaus in ganz Deutschland bekannt und geschätzt. Band verbesserte den Tonumfang von 106 auf 112, dann auf 128 und zuletzt auf 130 Töne. 1924 wurde vom Deutschen Konzertina- und Bandoneon-Bund ein sogenanntes 'Einheitsbandoneon' mit 72 Tasten und 144 Tönen festgelegt. Davon sind 20 Tasten nicht wechseltönig.

 

Namensgebung

Heinrich Band nannte seine neuen Instrumente „Bandonion“. Wahrscheinlich orientierte er sich bei der Namensfindung am kommerziellen Erfolg des 1829 in Wien entwickelten Accordions. Das 'Accordion' (damalige Schreibweise) wurde zu einer weitverbreiteten Instrumentenbezeichnung.

Den auf C. F. Uhlig in Chemnitz zurückgehenden neuen Harmonika-Typ von 1834 nannte man anfangs 'Accordion neuer Art' oder einfach 'Harmonika'.

Vermutlich 1851, mit der Weltausstellung in London, wandte Carl Friedrich Zimmermann aus Carlsfeld im Erzgebirge erstmals den englischen Begriff Concertina auf das deutsche Instrument an. Weil es sich von dem englischen Instrument unterschied, nannte man es später etwas korrekter „deutsche Concertina“ bzw. „Konzertina“.

Das von Band entwickelte 'Bandonion' war eine Variante der seit zwanzig Jahren existierenden deutschen Concertina. Bei der Suche nach einem eigenen, unverwechselbaren Namen kombinierte Band seinen Namen mit der vom Accordion bekannten Endung -ion. Vermutlich aus Gründen des Wohlklangs fügte er noch eine Silbe ein, und es entstand das 'Bandonion'.

Wann die Schreibweise von 'Bandonion' in 'Bandoneon' geändert wurde, ist unklar.

 

Aufbau eines Bandoneons

Das Gehäuse des Bandoneons hat einen quadratischen Querschnitt. Zwischen zwei Stirnstücken ist ein Balg aus Balgkarton in Holzrahmen (Erlen- oder Ahornholz) und Ziegenleder montiert. Durch Aufziehen und Zusammendrücken des Balges entsteht in seinem Inneren ein Unter- oder Überdruck.

Über mit den Fingern zu drückende Knöpfe an den beiden Stirnseiten können für einzelne Töne Ventile geöffnet werden. Die dann durchströmende Luft bringt auf sogenannten Stimmstöcken angeordnete Metallzungen verschiedener Tonhöhen zum Schwingen.

Die Oktavverdopplung, d. h. pro Ton schwingen zumeist zwei Zungen (zweichörig), sorgt für klangvolle, sanfte aber auch scharfe, brillante Töne. Weitere Besonderheiten, wie das Klappern der Knöpfe sowie Luftgeräusche beim Spielen, bestimmen die unverwechselbare Klangfarbe gegenüber anderen Harmonikainstrumenten. Im Unterschied zum Akkordeon besitzt das Bandoneon keine mechanisch voreingestellten Akkorde, sondern wie das Klavier nur Einzeltöne.

 

Systeme und Tonumfang

Beim wechseltönigen Bandoneon sind die meisten Tasten wechseltönig. Wechseltönige Tasten erzeugen bei Druck und Zug des Balges einen unterschiedlichen Ton. Beim gleichtönigen Bandoneon erklingt dagegen der gleiche Ton bei Druck- und Zugspiel, somit entspricht die Anzahl verschiedener Töne auf einer Seite des Instrumentes ungefähr der Anzahl der Tasten dieser Seite. Insgesamt kann über fast fünf Oktaven gespielt werden.

Die bekanntesten noch gespielten und hergestellten Bandoneontypen sind:

  • Wechseltönig, wird mit vier Fingern gespielt.
    • Rheinische / Argentinische Lage, Tonumfang 142 oder 152, nicht durchgängig chromatisch (es fehlen einige Töne). Die Anordnung der Tasten ist nicht bei allen Herstellern gleich.
    • Einheits-Bandoneon, Tonumfang 144. Tonbereich rechts: g bis a3, links: C bis b1. Die Fingersätze sind einfacher als bei der Rheinischen Lage.

 

  • Gleichtönig, wird mit vier Fingern gespielt.
    • Kusserow-Bandoneon
    • Manouri System (teilweise C-Griff), Tonumfang 148, 34 Tasten, Tonbereich C bis a1 (34 Töne).
    • Peguri System (teilweise C-Griff), Tonumfang 146, 33 Tasten, Tonbereich Fis bis cis2 (32 Töne).
    • Traditioneller C oder B-Griff: Tonumfang 154, 37 Tasten, Tonbereich B bis b1 (37 Töne).
    • Hybrid-Bandoneon (C oder B-Griff) entsprechend dem Knopfakkordeon auch mit fünf Fingern spielbar. Die Anzahl der Tasten geht von 2 × 37 bis 2 × 39.

 

Bandoneon-Spiel

Zum Konzept des in seiner Größe praktischen, „einfachen“ und finanziell erschwinglichen Instrumentes gehörte auch die Entwicklung der Griffschrift (eine Art Tabulatur), um das Erlernen des Bandoneons zu vereinfachen. Dadurch konnten Bandoneonspieler das Instrument auch ohne Notenkenntnisse spielen. Allerdings müssen so musikalische Werke auf dieses sogenannte Waschleinensystem mit Zahlen und Notenwertangaben umgeschrieben werden.

Um 1900 entstanden in Deutschland innerhalb der Arbeiterbewegung viele Bandoneonvereine (1939 gab es ca. 686 Vereine), die sich dem Zusammenspiel zumeist einfacher Volksmusik verschrieben hatten. Noch in den 1930er Jahren gehörte das Bandoneon zum Grundinstrumentarium der Tanz- und Unterhaltungskapellen. Nach 1950 gab es sehr viele Bandoneonvereine, in denen hauptsächlich im vierstimmigen Satz zusammen gespielt wurde.

In Europa und Deutschland wurde das Bandoneon allmählich durch das einfacher spielbare Akkordeon verdrängt, u. a. auch, weil es dasselbe Hörgefühl erzeugte wie der hier bevorzugte Bandoneontyp mit schwingendem, vollen Ton und die mehrheitlich wechseltönigen Instrumente nach Noten (also ohne Griffschrift) nur schwer erlernbar sind.

Das Bandoneon wird heutzutage nicht mehr umgehängt, sondern auf den Knien gehalten. Es wird bedingt durch die vielfältigen Klangmöglichkeiten als ausdrucksstarkes Soloinstrument und ebenso als Ensembleinstrument in verschiedenen Musikstilen eingesetzt.

 

Bandoneon und Tango

Die größte Popularität des Instrumentes steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tango. Bereits im frühen 20. Jahrhundert war das Instrument ein prägender Bestandteil eines Orquesta Típica.

 

 

Auch in späteren musikalischen Entwicklungen wie dem Tango Nuevo und auch dem Electrotango blieb der prägende Einfluss des Bandoneons erhalten. In vielen Tangos besungen, stiftet das Bandoneon mit dem Tango bis heute eine Identität und wird in Südamerika liebevoll auch als beste deutsche Erfindung gepriesen. Die Bandoneonisten in den dortigen Barrios haben die Bandoneon-Spieltechnik und Stilistik seit vielen Generationen vorzüglich gepflegt und weiterentwickelt. Es wird nach Noten gespielt und gelehrt.

Nach Argentinien und Uruguay gelangte das Bandoneon vermutlich zunächst über die USA. Der deutsche Einwanderer Wilhelm Seyffardt ließ sich 1855 von seinem Bruder in Krefeld ein 'Accordion' nach Amerika schicken, dies war auf jeden Fall ein 'Bandonion'. Seeleute und vor allem um 1900 die vielen europäischen Einwanderer gaben dem Instrument in den Hafenkneipen und Bordellen von Buenos Aires und Montevideo ein neues Zuhause.

Die Südamerikaner bevorzugten einen bestimmten Instrumententyp: 142-tönig (die 'Rheinische Lage'), im Ton scharf bis sanft, schwermütig und mysteriös zugleich. Bautechnische „Mängel“ wie das Klappern der Tasten und Luftgeräusche wurden positiv angesehen und organisch ins Spiel des Instrumentes integriert.

Aus Argentinien ist das Bandoneon dann mit der neuen Spielweise und dem Tango zurück nach Europa gekommen.

Der international wohl bekannteste Bandoneonist ist Astor Piazolla.

 

Hersteller in Vergangenheit und Gegenwart

Am berühmtesten sind die Instrumente aus der nicht mehr existierenden Fabrik von Alfred Arnold (AA, 'Doble A') in Carlsfeld (Eibenstock), einem kleinen Ort im Erzgebirge. Von dort wurden bis ca. 1945 ungefähr 30.000 Bandoneons nach Argentinien und Uruguay exportiert. Mit dem Ende der Bandoneonproduktion um 1948 (durch Enteignung der Firma) verschwanden allerdings die Unterlagen für den dortigen Bandoneonbau.
 
 
 
 

Arno Arnold, ein Neffe des Gründers Alfred Arnold, produzierte in der Rhein-Main-Gegend noch einige Jahre lang Bandoneons, die aber nicht mehr die Qualität der AA-Instrumente erreichten. Bei diesen Instrumenten aus den 50er Jahren waren die Stimmplatten meist aus Aluminium statt Zink. Weltweite Forschungen und Bauversuche erreichen bis heute nicht den unvergleichlichen Ton der alten Instrumente.

Heute gibt es nur noch eine Handvoll Bandoneonbauer, die meist individuell nach Bestellung bauen. Allerdings kann man sehr komplette Sammlungen in Deutschland besuchen, wie beispielsweise das Bandoneon-Museum der Familie Preuss in Lichtenberg und die Sammlung der Familie Steinhart aus Kirchzarten/Freiburg, die sich seit Juli 2014 im Tango- und Bandoneonmuseum in Staufen im Breisgau befindet.

Seit 2007 gibt es in Carlsfeld wieder einen Meisterbetrieb für Handzuginstrumente, wo Bandonions neugebaut und repariert werden.

In Klingenthal wurde eine Bandoneonfabrik gegründet, die sich das Ziel gesetzt hat Bandonions und Concertinas zu bauen, die in Aufbau, Klang und Qualität den legendären Instrumenten aus der Manufaktur von Alfred Arnold entsprechen. Auf dem Gelände der ersten Harmonikafabrik Carlsfeld, in der ab 1847 die ersten Carlsfelder Harmonikas gebaut wurden und später die Firma Ernst Louis Arnold und Alfred Arnold Harmonikas und Bandonions fertigte, steht heute ein Bandonion-Gedenkstein.